1. Therapiestunde zum Thema: Täter-Retter-Opfer-Dreieck. Mein Trigger: Opfer. Ich will kein Opfer sein!

Täter - Retter - Opfer - Dreieck

In meiner Therapiestunde bearbeiteten wir mein Thema: Urlaub mit Grenzverletzungen. Ich hatte einen schönen Urlaub. Doch ich bin in alte Verhaltensmuster zurück gefallen.

 

Ich habe nicht für mich gesorgt, mich selbst ignoriert und meine Selbstverantwortung nicht wahrgenommen.

 

Ich selbst bin dafür verantwortlich, dass meine Grenzen eingehalten werden. Ich weiß es sehr genau. Dennoch gerate ich in Situationen, in denen ich es nicht umsetzen kann.  

Genau dann sind meine Glaubenssätze aus der Vergangenheit und die damit geprägten Verhaltensmuster an der Macht. Mein Unterbewusstsein lenkt mich, im Sinne von Selbstschutz. Selbstschutz derartiger Art, der in meiner Realität aber nicht mehr hilfreich ist und auch nicht notwendig.  

An dieser Stelle malte meine Therapeutin, das obige „Drama-Dreieck“ auf. Sie erklärte mir, „dass ich in solchen Situationen in der Opferrolle bin, auch wenn ich dies selbst ablehne und nicht möchte. Ich war in meinem Leben so oft Opfer bzw. wurde in die Opferrolle gedrängt, dass mein Unterbewusstsein davon geprägt ist und noch nicht losgelassen hat. Die Opferrolle bringt ja auch Vorteile, wie Zuwendung von anderen, Mitleid, Umarmung ...“  

 

Ihre Worte brachten mich sofort in eine Abwehrhandlung, das Wort Opfer triggerte mich. Ich habe mir bei meinem Zusammenbruch geschworen, dass ich nie wieder Opfer sein will. Als ich Opfer war, gab es eher Ablehnung, Ignoranz und Schweigen. Ich musste mir stets selbst helfen, um zu überleben. Ich habe überlebt und will ganz bestimmt nicht Opfer sein! „Sie fallen trotzdem genau in diese Rolle hinein, aus ihrem Unterbewusstsein heraus. Wir brauchen genau diese Energie, um an dem Thema zu arbeiten“ antwortete meine Therapeutin. „Nächste Stunde schauen wir uns das näher an“, verabschiedetet sie mich für heute.

 

Das Thema lässt mich nicht los. Ich glaube inzwischen, dass es für mein derzeitige Tief, der Auslöser ist. Über Google habe ich mir einige Infos geholt, für eine erstes Verständnis und ein erstes annehmen des Themas, des Wortes Opfer. In meinem ganzen Leben habe ich so oft handlungsunfähig Situationen und Problemen gegenüber gestanden und erst heute begreife ich ganz langsam warum.  

 

Ja, ich war Opfer

Ich erlebe etwas, gegen dass ich mich augenscheinlich nicht wehren kann. Ich erlebte mich hilflos und machtlos. Ich habe mich immer sehr schlecht gefühlt. Klein, dumm, nicht gut genug, bedürftig und selbst Schuld. Schwäche zu zeigen war für mich nicht ok. Ich habe getan, was andere erwartet haben, mich ein- und untergeordnet und geschwiegen. Ich habe funktioniert, ohne Rücksicht auf Verluste und mich ignoriert. Ich habe überlebt.

 

Natürlich gab es auf diesem Weg auch Retter. Ohne sie wäre ich sicherlich sehr viel früher zusammengebrochen oder schon tot. Sie waren die kleinen Helferlein zu überleben, besonders in meinem Arbeitsleben. Im privaten Leben gab es sie leider kaum. Was nutzten mir Mitleid, Verständnis und liebevolle Umarmungen? Sie tun mir gut, haben mir Mut gegeben weiter zu machen und mir Menschen gezeigt, die meine Arbeit und mich selbst wertschätzten. Die Situation an sich, konnten sie bzw. ich, damit nicht verändern.

 

Ich denke aus diesen Gründen kommt sofort ein Trigger. Ich möchte kein Opfer sein und auch keinen Retter haben. Alles in mir bezieht die Verweigerungsposition – NEIN – ich will nicht.

 

Warum kann ich nicht NEIN sagen?

Nach dem jetzigen Stand meiner Therapie-Erkenntnisse, sind es aber genau diese Opfer-Gefühle, die mich noch immer beherrschen und handlungsunfähig machen. Sie lassen mich funktionieren, damit ich die Erwartungen anderer erfülle. Es ist genau noch dieses „Retter können auch nicht wirklich helfen“, dass da noch immer tobt.  

 

Warum habe ich nicht, NEIN oder STOP gesagt? Warum habe ich mich auf die Seilbahn gesetzt, wider besseren Wissens? Warum bin ich nicht gleich auf der Bank am Rhein geblieben? Warum habe ich nicht sofort die richtige Antwort gegeben, nicht widersprochen? Warum habe ich nicht einen Tag Pause gemacht? Warum habe ich nicht gesagt, dass eine ständige Raucher-Diskussion unnötig ist und nur Frust ergibt?  

 

WARUM?

 

Ich bin so automatisiert im Denken und Handeln, dass es mich auch heute noch außer Gefecht setzt. Ja, ich wollte nicht aus der Reihe tanzen. Ja, ich wollte selbst ganz viel gemeinsame Zeit erleben und nicht zu Hause sitzen. Ja, ich selbst habe meine Grenzen überschritten, mit zu vielen Aktivitäten, trotz Warnzeichen. Ja, ich selbst habe mich ignoriert.

 

Automatisiert, wollte ich gut genug sein. Ich wollte es allen Recht machen und nicht zeigen, dass ich schwach (etwas nicht kann) bin. Ich wollte in den Augen anderer kein Versager sein. Ich war in meinem „Operverhalten“ gefangen.  

 

Grundlos? Ich weiß es nicht. Ich hatte das Gefühl, dass die Depression und meine Leistungseinschränkungen nicht anerkannt werden. Ich habe es nicht ausprobiert, weil ich vor Konsequenzen Angst hatte, die es vielleicht nicht gegeben hätte. Weil ich Angst hatte vor einer Auseinandersetzung zum Thema, für die ich nicht die Kraft habe und die ich auch nicht will.  

 

Bin ich heute Opfer? Ist das Realität?

Meine klaren Antworten:

Nein, es nicht wirklich so!

Nein es ist nicht Realität!

Es ist Vergangenheit!

Ich kann es selbst verändern.

Ich bin selbst verantwortlich, meine Grenzen ein zu halten.

Ich bin nicht mehr im Arbeitsleben und muss funktionieren.

Ich habe jetzt Menschen um mich herum, die mich lieben und mir gut tun.

Ich brauche keine Angst zu haben.

Ich muss nicht mehr die Erwartungen anderer erfüllen.

Nur ich kenne meine Grenzen, also muss ich auch dafür sorgen, dass sie eingehalten werden. Dabei ist unerheblich wer diese Grenzen verletzt.

Ich kann zu mir selbst stehen.

Ich brauche keinen Retter.

Ich denke genau an dieser Stelle liegt der Kern meines Problems.Ich bin schon so weit gegangen. Ich habe so gut NEIN-sagen gelernt. Ich dachte ich wäre schon weiter. Das heißt, meine eigenen Erwartungen und Herausforderungen waren im Urlaub übersteigert. Sie setzten mich unter Druck und lassen mich in die „Opferrolle“ zurückfallen.  

 

Ich brauche mit mir Geduld. Ich darf mich nicht ignorieren. Ich habe Leistungsgrenzen und diese dürfen sein. Ich darf Fehler (Urlaub) machen. Fehler sind dazu da, sie zu erkennen und mein Handeln zu verbessern. Ich bin weit gekommen, auf meinem Weg in der Depression. Ich will weiter lernen und üben, damit ich stabiler werde und ja auch stabiler werde – Nein – zu sagen, wenn ich – NEIN – meine.

 

ICH BIN KEIN OPFER! ICH KANN MEIN RETTER SEIN!