05.06.2018-Therapie-Wollen sie krank bleiben? Krank sein, hat auch Vorteile. Gesund heißt auch arbeitsfähig.

Wollen sie krank bleiben?

Von Selbstverantwortung, Selbstfürsorge und der Sehnsucht nach Leben.

 

Das Leben mit der Depression und PTBS ist für mich nicht wirklich leben. Es fehlt so vieles in diesem Leben und an vielen Tagen sind einfachste Handlungen schon eine Herausforderung. Diese Leben in meinen Grenzen, kann ich immer noch nicht wirklich akzeptieren.

 

Es gibt Tage an denen ich dies auch nicht möchte. Es geht mir gut und ich möchte alles und sofort. Dabei achte ich weder auf meine Selbstfürsorge, noch auf körperliche Grenzen und nehme einfach diesen wundervollen Tag. Ich lebe einfach mal. Dabei ist mir selbst sehr klar, dass ich mich an solchen Tagen sehr oft selbst überfordere. Auch wenn ich bemerke, dass ich an meine Grenzen kommen, ignoriere ich diese, weil ich weiter will. Was folgt sind Tage, an denen wirklich nichts geht und ich völlig neben mir stehe.

Ja, ich denke heute, meine Planung im Verbund mit unvorhergesehenen Begebenheiten, war nicht meinem Leistungsvermögen angepasst. Urlaub, Besuch der Freundin, Besuch meines Bruders und der Besuch meines Sohnes haben mich völlig überfordert. Nicht nur, weil es mehrere Aktionen waren, sondern weil ich mich, zum wiederholten Mal, gegen mich selbst entschieden habe. Positive Erlebnisse wie Urlaub und Besuch der Freundin, will ich volle Power, egal wie. Es geht mir gut und dann will ich leben, im Wissen das ich dafür bezahlen werde. Egal. Wenn mein Sohn da ist, möchte ich unter allen Umständen für ihn da sein. Da finde ich keine Grenze. Leider.

 

Unmut meiner Therapeutin ist berechtigt

Meine Therapeutin ist darüber, berechtigt, sauer. Ich gehe über meine Grenzen und dann sage ich eine Therapiestunde ab, weil nichts mehr geht. „Sie sollen für sich selbst sorgen, aber nicht nur für den Weg zur Therapie, sondern auch im Vorfeld“, sagt sie sehr nachdrücklich zu mir. Ja, sie hat Recht und doch regt sich in mir der Widerstand. Wenn es mir gut geht, dann möchte ich nicht überlegen, sondern einfach machen. „Weniger ist auch sehr viel und sie haben hinterher nicht solche tiefen Löcher“, „sie könnten mehr solche guten Tage haben, wenn sie mehr auf sich selbst achten“.

 

Peng, das sitzt.

 

„Die Depression hat auch Vorteile“, sagte sie später und ich falle fast vom Stuhl. Wie jetzt, diese Krankheit hat Vorteile? Nein, dass kann ich nicht annehmen. Für mich hat sie keine Vorteile. Ich will dieses Leben nicht mehr. „Ja, die Depression hat Vorteile, z.B. dass sie nicht arbeiten müssen.“ Vielleicht wollen sie ja gar nicht arbeitsfähig werden? Vielleicht hemmt die Aussicht gesund zu werden und arbeiten zu gehen, sie in ihren Handlungsweisen? Sie überschreiten immer wieder ihre Grenzen, sie selbst beachten nicht ihre Leistungsgrenzen und so werden sie nicht wieder arbeitsfähig“, sagt meine Therapeutin. Arbeitsfähig? Trigger. Ich fühle mich völlig in die Ecke getrieben. Das Gespräch dreht sich noch eine Weile und ich verlasse die Therapiestunde völlig aufgelöst und unter Druck. Es wirft mich aus der Bahn.

 

Die Hölle Arbeit, haut mich um.

 

Mein Focus ist auf GESUND ausgerichtet

Alle vier bisherigen Therapeuten haben viel Mühe und Geduld investiert mir immer wieder zu sagen: "Sie und ihre Wünsche sind jetzt wichtig. Lernen sie wieder zu leben. Lernen sie sich selbst kennen, erkennen sie was sie wollen, wo ihre Grenzen sind und wie sie selbst ihr Leben gestalten möchten. Das Thema Arbeit steht für sie nicht zur Diskussion, vielleicht niemals mehr. Sie sind auch ohne Arbeit ein wertvoller Mensch!".

 

 

Mein Focus ist auf GESUND WERDEN UND LEBEN ausgerichtet. Nur für mich und mein Leben, in meiner kleinen Welt. Das reicht mir völlig.

 

Ich gebe ihr in den Punkten Verantwortung übernehmen und Grenzen achten und einhalten, Recht. Das kann ich annehmen. Ich habe bisher und werde auch weiterhin die Verantwortung für mich selbst übernehmen, mich weiter verändern, akzeptieren dass ich nicht alles leisten kann. Ich werde üben im Urlaub, wenn ich Besuch habe oder wenn es mir gut geht, meine Grenzen zu setzen und einzuhalten. Eben nicht volle Power loslegen, sondern in mich hinein hören und fühlen und dann ruhig und besonnen handeln. Selbstfürsorge hat Vorrang!

 

Mein Focus ist überhaupt nicht auf dem Bereich Arbeit ausgerichtet und wird es auch nicht sein. Ich beziehe unbefristete Rente, die mir leben ohne Arbeit ermöglicht. Ich halte mich da an die Aussagen meiner früheren Therapeuten. Noch ist für das Thema Arbeit die reine Hölle, daher triggert es mich sofort heftig. Ich habe zu viel erlebt und erfahren, zu viele menschliche Abgründe kennen gelernt. Das reicht mir ein Leben lang. Es gibt keine geschützten Arbeitsbereiche und schon gar nicht für Menschen die mit Depressionen langen nicht arbeiten konnten. Auf solche Menschen wird, in der Regel, mit dem Finger gezeigt und sie sind willkommene Opfer.

 

Es kann gut möglich sein, dass ich nur ohne die Herausforderung Arbeit leben kann. Das weiß ich heute noch nicht und ich will es auch noch gar nicht wissen. Ich musste so kämpfen, zu akzeptieren das ich jetzt Rentnerin bin, nicht mehr arbeitsfähig bin. Ich habe lange gebraucht, zu verinnerlichen, dass ich auch ohne Arbeit ein wertvoller Mensch bin. Noch ist das Thema Arbeit überhaupt nicht be- und verarbeitet und in weiter Ferne. Vorrang haben die Themen, die mich aus dem Leben heraus halten. Themen die mich selbst bestärken, mir Selbstbewusstsein geben und den Glauben an mich selbst. Themen, die mir MEIN Leben wieder ermöglichen. Wie auch immer es dann aussieht.

 

Sehnsucht nach dem wirklichen Leben

Jetzt möchte ich weiterhin in mich hinein schauen, erkennen was mich treibt und blockiert, erfahren was ich verändern kann, fühlen wie es besser wird. Ich möchte lernen, mich selbst zu lieben, zu achten und wert zuschätzen. Fehler dürfen sein. An positiven Tagen möchte ich leben, Erinnerungen speichern, erfahren wie es sein kann, gesund zu sein. Da wird es schwer sein, mich selbst zu bremsen, weil meine Sehnsucht nach solchen Tagen und einem freien Leben so groß ist und damit meiner unbewussten Selbst-Ignoranz die Türen öffnet. Achtsamkeit und Dankbarkeit, für das was ich geschafft habe, haben noch viele Ressourcen.  

 

Ich lebe jetzt und was wird, wenn ich gesund bin, das werde ich dann erleben und dann entscheiden wie ich weiter gehe. Ich will gesund werden und ohne, beständig gezogene, Handbremse leben können. Ich kann und will leben, für mich, in meiner kleinen Welt, das reicht mir völlig. Jetzt!

 

Mit offenen Problemen kann und will ich nicht mehr leben. Ich kann es nicht aushalten. Es macht mich wahnsinnig und es blockiert mich völlig. Ich lebe jetzt unter dem Motto: Sage ehrlich, was du denkst und fühlst, was dich verletzt und dann finden wir gemeinsam den Weg. Das ist mein Weg, ich verbiege mich nicht mehr und ich sage ehrlich was ich denke. Es ist mein Leben, meine Verantwortung und ich übernehme sie. So verfahre ich auch mit meiner Therapeutin. Sie hat eine Email erhalten und hat meine Aussage dort verstanden und akzeptiert. Dafür bin ich sehr dankbar.