28.12.2018 Kliniktagebuch - Wochenausklang - Einzeltherapie - Fertigkeitentraining - Achtsamkeit - Finde das Licht

Kliniktagebuch 28.12.2018

Der letzte Freitag im Jahr. Der letzte Tag in der Woche. Wie immer beginnt dieser Tag, mit dem Wochenrückblick in der Gruppe. Es gilt zu benennen, was wir geschafft haben und was wir für das Wochenende geplant haben.

Ich stand dermaßen unter Druck, dass ich kurz für die wundervolle Gruppenfreizeit bedankte und dann das Thema Beine ansprach. Der anwesende Therapeut sagte: "Es gehört nicht in die Gruppe." Ich widersprach! Doch, es gehört hier her. Meine Therapeutin ist der Meinung, dass die anderen Gruppenmitglieder, durch meine wackelnden Beine, nicht gut in der Gruppe sein können.

"Mir scheint es, dass ihre wackelnden Beine, in der Gruppe kein Thema sind. Sie bringen es gerade in die Gruppe, es scheint niemanden zu belasten oder zu stören, sprechen sie noch einmal mit ihrer Therapeutin." Über diese Antwort war ich sehr froh und ich fasste Mut, es in der Einzeltherapie noch einmal anzusprechen.

Einzeltherapie

Hoch angespannt und auf den letzten Drücker ging ich heute in die Einzeltherapie. Ich sprach das Thema sofort an. Ich erzählte von der Gruppenfreizeit und von dem Wochenausklang, von meinen positiven Erfahrungen. "Ich möchte irgendwann wieder ohne die wackelnden Beine leben, wenn es möglich ist. Derzeit stehe ich aber unter absoluter Hochspannung und Druck, weil mein Focus nur noch auf meine Beine ausgerichtet ist. Es aber überhaupt nicht notwendig ist, da es niemanden stört. Der Druck macht mich verrückt. Ich kann mich nicht wirklich auf andere Gedanken einlassen." Meine Therapeutin nahm es an und wir vereinbarten, dass wir weiterhin an den Auslösern arbeiten, ich Diskriminationsübungen beständig wiederhole. Ich kann die Imaginations-Therapeutin fragen, ob ich den Sitzball benutzen darf, damit eine Imagination überhaupt möglich ist und ich die anderen nicht störe.

Dann sprachen wir meine Diskriminationen durch. Sie gab mir noch Hinweise und lenkte den Fokus direkt auf den Trigger, der diskriminiert werden soll. Jetzt wusste ich meine Ansätze waren richtig, hatte noch mal gute Hinweise und war mir sicher, dass ich es jetzt vollständig verstanden hatte.

 

Am Ende der Stunde bekam ich die Aufgabe, die positiven Erinnerungen an die Augenkontakt-Übung noch einmal zu wecken. Dann wollten wir es in einer EMDR-Übung im Körper verankern. Die Therapeutin begann aufzuzählen, was passiert war. Doch ich konnte es überhaupt nicht annehmen. Es funktionierte nicht. Ich konnte mich nicht einlassen oder die Augen schließen. Ich stoppte und versuchte es allein.

 

Ich konzentrierte mich auf die Situation und begann die Erinnerungen aufzuzählen. Meine Augen schlossen sich von ganz allein (etwas was mir noch nie gelungen war, Augen schließen hieß für ich immer die Kontrolle verlieren). Langsam zählte ich auf was ich gesehen hatte, was ich gefühlt hatte, wie sich meine zerrenden Nerven in Sonnenlichtkugeln verwandelt hatten, bis wohin es kribbelte und bis zur Gänsehaut. Langsam kam die Ruhe wieder. Langsam kam das Gefühl des Vertrauens wieder. Irgendwann waren dann auch wieder die Beine still und die Leichtigkeit durchzog meinen Körper. Es funktionierte! Durch EMDR verankerten wir diese Erfahrungen im Körper.

 

Es war ein tolles Gefühl! Ich kann die Ruhe spüren und Vertrauen. Ich möchte sein wie ich bin, sagte ich aus dem Herzen heraus. (Es war kein Übungssatz mehr)

 

Nächste Woche beginne ich die Arbeit mit meiner eigentlichen (war krank) Therapeutin. Mit ihr muss dann die EMDR noch mehrfach wiederholt werden. Vielleicht auch die Augenkontakt-Übung, damit ich hoffentlich auch bei ihr das Vertrauen spüren kann.

Fertigkeitentraining

Wir bekamen heute die Aufgabe, allein oder in der Gruppe einen Achtsamkeits-Spaziergang zu machen. Dafür waren 20 Minuten Zeit. Es galt möglichst ruhig, ohne Worte und auf die Wahrnehmung zu fokussieren. Bewusst wahrzunehmen was ich gerade sehe und wie ich mich fühle. T. und D. fragten mich, ob wir gemeinsam gehen. Es überraschte und erfreute mich sehr. 

Da Achtsamkeit bei mir besser funktioniert, wenn die Kamera dabei ist, nahm ich sie mit. Ich zeigte den beiden Mädels, meinen Ort der Ruhe. Den hübschen Pavillon, mit Ausblick auf die Elbe, die Waldschlösschenbrücke und die Altstadt. Alle Drei gingen wir hier unsere eigenen Wege. Unsere Blicke fanden unterschiedliche Bilder, wie die Auswertung später zeigte. Nach dem Abschluss unserer Achtsamkeitsübung bat ich Beide um ein Foto. Ich wollte für mich visualisieren, was ich gerade erlebt hatte. Ich machte ein Foto von ihren Füßen. Eine Umarmung war danach ein Selbstläufer.

Gruppen-Auswertung/Meine Gedanken und Gefühle

Ich bin sehr dankbar für den Achtsamkeitsspaziergang mir T. und D. Gemeinsam gingen wir zum Pavillon und dort trennten wir uns. Ich fühlte mich sicher und vertraut. Beide hatten mit mir gehen wollen. Beide hatten keine Angst, dass ich unerlaubt Fotos machen würde. Sie vertrauten mir also, ohne Worte. Das tat mir sehr gut und ich spürte diesem Gefühl nach. Dann schaute ich mich um. Den vertrauten Blick hin zur Altstadt, die im regennassengrau da lag. Dann blieb mein Blick am Trampfelpfad zur Elbe hin, hängen. Ich schaute eine Weile hinab, wie er sich zum Wasser schlängelte. Irgendwas faszinierte mich, nicht wissend was. Dann lenkte ich meine Blicke auf die schönen Sandstein-Pfeiler des Pavillon. Auf Augenhöhe lächelte ein Stein zurück. Ich war schon 100 mal hier, doch dieses Lächeln entdeckte ich erst heute. Auf der anderen Seite begegnete mir noch ein Gesicht. Ein wenig verschmitzt schaute mich der Stein an. Ich lächelte zurück. Dann war unsere Zeit auch schon um.  

Am Spätnachmittag

Es lief nicht so wie geplant. Ich brauchte eine Mütze Schlaf und meine Freundin aus München hatte etwas anderes vor. Ich gönnte mir eine Chociatto-Zeit und entschloss mich in die Neustadt zu fahren. Ich wollte ein paar schöne Karten kaufen und ein kleines Geburtstagsgeschenk für A. Ich war heute sehr ruhig und Licht zog mich in seinen Bann. Ich hatte keinen Fotoapparat mit, also nahm ich mein Handy und hielt fest mich gerade berührte. Ganz langsam bummelte ich die Hauptstraße auf der einen Seite herunter. Ich war ganz bei mir. In meiner Welt. Eine Weile verbrachte ich beim Karten auswählen. Hatte das eine oder andere in der Hand, aber es war nicht das richtige für A. Dann zog es mich in den Seifenladen und ich entdeckte etwas, was ihr garantiert gut gefallen würde. Tadaaa ich freute mich. Ich schlenderte langsam weiter und landete am Eiscafé. Ich ging hinein, kaufte mir Eis im Becher und setzte mich draußen an den Tisch. Niemand kam vorbei, kein Krach, nur die Stille war da. Oder war sie in mir? Egal, ich saß entspannt dort, leckerte mein Eis und genoß die Zeit. Meine Beine wackelten im Takt dazu.

Nach 2 Stunden fuhr ich zurück in die Klinik. Mir war wohl ums Herz. Ich war müde. 

Nach dem Abendbrot, fiel ich müde ins Bett. Morgen ist auch wieder ein Tag.