GedankenSplitter-Du sitzt auf dem hellsten Stern und schaukelst mit den Beinen. Ich vermisse dich. Ich liebe dich.

Du sitzt auf dem hellsten Stern am Himmel ...

In der Kunsttherapie sah ich ein Bild vor mir.

Kurz. Ich wollte Gedanken beerdigen.

Dann malte ich aber eine schönes Bild mit einem Leuchtturm und Gänseblümchen, die mich an dich erinnerten. Ganz nebenbei.

 

In der Nacht kamen alle Traumabilder hervor. Sie blieben bei mir und nahmen mir die Kraft. Zum ersten Mal nun, rede ich mit einer Therapeutin intensiv und wiederholt darüber. Darüber wie es war. Darüber was ich gefühlte habe. Darüber, dass keine Zeit für Trauer war.

 

Tränen rannen mir über mein Gesicht. Endlich. Tränen der Befreiung. So schwer es auch ist, jetzt mit den Bildern umzugehen und darüber zu sprechen, so gut ist es. Es tut höllisch weh und ich darf und kann und will weinen. Immer neue Bilder steigen aus der Dunkelheit herauf. Immer neue Erinnerungen, gute und schlechte.

Ein Lächeln zog in mein Gesicht. Erinnerst du dich, wie wir gemeinsam die Zeitungen für 3 Straßen austrugen, früh am Morgen. Zwei Taschen für die Zeitungen und eine Tasche für dich. Dir hat es Spaß gemacht. Jeder der uns sah schenkte uns ein Lächeln, weißt du noch. Erinnerst du dich an die alten Leutchen, die schon auf uns (dich) warteten. Wie sie mit dir herzten und dich beschenkten, sogar die Bananen wurden mit dir geteilt. Die letzte Zeitung bekam der Bäcker, der natürlich immer einen Keks oder Kuchen für dich hatte.  

 

Nein, ich möchte die traurigen Ereignisse nicht beschreiben, die wenige Monate später, dann folgten. Ja, hier in der Therapie, spreche ich darüber oder ich male dazu. Wenn der Therapiealltag geschafft ist, fahre ich in die katholische Hofkirche. Dort zünde ich eine Kerze an. Ich sende ein Licht zu dir in den Himmel. Ich rede mit Maria und bitte sie von ganzem Herzen, auf dich aufzupassen, damit du beim toben auf den Wolken nicht herunter fällst oder dir weh tust. Ich rede mit dir und wir verbringen gemeinsame Zeit. Zeit, die mir gut tut und die mich wieder zu mir selbst bringt. Ich finde wieder Ruhe und Frieden in mir, weil du ganz nah bei mir bist.

 

Ja, manchmal schreie ich auch, warum gerade du gehen musstest. Warum nicht ich, oder das Arschloch ... .

Ja, oft schreie ich mich selbst an und fühle mich schuldig. Hätte ich ... hätte ich ... 

Ja, ich weiß, nichts hätte ich ändern oder verhindern können. Ich habe alles getan, was ich konnte.

Ich hätte so gern mit dir getauscht. Das Leben war nicht mehr was es vorher war.

 

Ich bin froh, dass nun wohl die Zeit war, dass es raus musste. Das ich jetzt hier in der Klinik ein Stück weit verarbeiten kann. Das ich nun Trauer erleben kann. Es tut noch immer so wahnsinnig weh. Es ist noch immer so wahnsinnig nah. Als wäre es gestern gewesen.

 

Aber nein! Du sitzt nun schon 36 Jahre auf dem hellsten Stern am Himmel. Du lachst fröhlich herunter und schaukelst durch die Nacht. Wenn die dicken Wolken die Sterne verdecken, dann sehe ich dich über die Wolken hopsen. 

 

Du bist immer da. Ganz nah. Es ist unmöglich, das ich dich verliere. Tief in meinem Herzen hast du dein Zuhause. Ich bin dankbar, dass neben dem hässlichen Farbfilm, nun auch fröhliche Erinnerungen zurück kehren. Ich lerne ganz nah bei dir zu sein. Ich lerne meinen Schmerz, mein Leid, meine Trauer und meinen Tränen die Freiheit zu geben. Ein Stück ICH zu finden, wahrzunehmen und zu leben.

 

Danke liebe Daniele, meine Tochter.

Schön, dass es dich gibt.

Mum