Prostatakrebs - Tag der Operation - Besuch auf der Wachstation - Im Wirbelsturm der Gefühle und Tränen

Im Wirbelsturm der Gefühle und Tränen

Der Tag begann heute  um 6:22 Uhr, mit einem "Guten Morgen" aus dem Krankenhaus. Dazu eine Telefonnummer und eine Wegbeschreibung zur  Station. Ich habe losgeheult. Ich liebe diesen Mann so sehr und ich bin so voller Angststürme.

Dann hieß es warten,  warten, warten, warten, warten ... Auf den Anruf  vom Chefarzt. Er hatte es mir versprochen. Warten, warten ...

Ein Glück werde ich bald Oma und hatte so sehr gute Ablenkung, ich durfte nur nicht Kaffee trinken und rauchen. Diese Minuten nutze mein Kopf sehr intensiv, leider.

Meine Ablenkung besteht darin, dass ich mir in den Kopf gesetzt habe, eine Fotobuch (ohne Fotos) als "Mein erstes Jahr" für mein kommendes Enkelkind zu gestalten. Fünf mal angefangen, 100 mal verändert, hinzugefügt .... In der Ablenkungsphase ist ein intensiver Perfektionismus in voller Fahrt. Schön ist dabei auch, dass die werdende Mama hilfreich mit mir hin und her Informationen austausch. Sie ist eine Perle.

Anruf vom Chefarzt

11:56 Uhr, das Telefon klingelt und ich habe Mühe nicht sofort durch zu drehen. Meine Tränen laufen. Der Chefarzt ruft tatsächlich an und sagt: "Die OP ist sehr gut und wie geplant verlaufen. Ihr Mann wir nun auf die Wachstation verlegt. Machen sie sich keine Sorgen. Nach 15:00 Uhr können sie ihn besuchen kommen". Ich stehe völlig neben mir und meine Tränen rinnen in Strömen. Entwarnung und doch ist meine Angst ein Orkan.

Warten, warten ... ... Ablenkung mit dem Fotobuch. Immer den Blick auf die Uhr.  Immer wieder Tränen, immer wieder dreht sich mein Magen um. Dann ist es soweit.

Ich muss ihn sehen, sehen dass er lebt

Die Bahnfahrt zur Klinik, habe ich recht gut überstanden. Ich lenkte mich mit Onkel Google ab und konnte meine Tränen zurückhalten, auch wenn mir die Angst heftig im Nacken saß.

Klingeln, Tür geht auf und ich werde bis vor das Zimmer gebracht. Stop, es ist gerade Untersuchung. Also umdrehen, raus aus der Wachstation und im Vorraum warten. Schon dort rollen die Angsttränen.

 

Nach 10 Minuten geht die Tür auf, der Chefarzt holt mich rein. Er hat eine wundervolle, immer irgendwie fröhliche Art und er geht mit mir zum Zimmer. Er bemerkt schon, dass ich Mühe habe. Die Tür geht auf, ich sehe Michael und es ist vorbei.

Hilfe ... Ich mache kehrt, geh um die Ecke und versuche mich zu beruhigen. Das funktioniert überhaupt nicht. Ich bin völlig fertig. Hilfe ... Ich stehe an der Wand und ... meine Tränen laufen, ich bitte um Wasser ... beantworte Fragen ... Schluss - Sendepause

Dissoziation

Ich werde angesprochen und leider auch berührt, was zur Folge hat, dass ich die Station zusammenbrülle. Sofort stehen 4 Leute und Chefarzt um mich herum. Fragen - Antworten - hin und her. "Vielleicht gehen sie lieber wieder raus oder auch nach Hause? Was können wir tun? Welche Hilfe brauchen sie? ... Unter Tränen antworte ich: "Wenn ich da nicht reingehe, wenn ich ihn nicht sehe, komme ich heute nicht mehr nach Hause." Ich bitte alle, nicht bei mir zu bleiben und sage dass ich es schaffen werde mich zu regulieren. Allein schaffe ich es mich soweit zu regulieren, dass ich es schaffe zu meinem Mann zu gehen.

 

Er sieht so fürchterlich aus. Geräte um ihn herum und an allen Fingern sind irgendwelche Anschlüsse. Er ist müde und verdreht beständig die Augen. Er hat Mühe mit mir Worte zu wechseln. Aber derer schaffe auch ich nicht viele. Meine Tränen laufen und ich kann ihn nur streicheln. Es ist so furchtbar für mich ihn anzusehen. "Du brauchst dir keine Sorgen machen. Es ist alles gut. Ich bin in guten Händen. Ich kann ihn nur anschauen und immer wieder die Geräte. Ich bin nicht zu beruhigen und die Tränen rinnen. "Geh nach Hause, setzt dich in ein Café oder gönn dir etwas. Pass auf dich auf!" "Ich werde jetzt schlafen, es ist alles gut".  Nach 10 Minuten bin ich wieder auf der Straße. Völlig neben mir.

 

Ich laufe irgendwohin und als ich bemerke, dass es so ist, frage ich wo ich die Bushaltestelle ist, denn ich weiß nicht wie ich dahin gekommen bin, wo ich gerade bin. Es ist nicht weit zum Bus, der 5 Minuten später auch schon da ist. 30 Minuten später bin ich zu Hause.

Mein erster Weg, ins Bad - mein Magen kehrt sein absolut innerstes nach außen. Tränen. Ich entscheide mich nun doch für meine Notfall-Medikation, aber nur eine halbe Tavor. Damit komme ich wieder zu mir und kann endlich aufhören zu heulen und mich durch Schreiben weiter regulieren. Das Baby-Fotobuch ist ja auch noch nicht fertig.

Ergebnisse

Die Operation ist ohne Komplikationen erfolgt. Meinem Mann, geht es den Umständen entsprechend gut. Ich habe geschafft zu überleben. Ich habe es geschafft auf die Wachstation zu gehen, ihn heute zu besuchen. Ich habe es geschafft, mich selbst zu regulieren und wieder handlungsfähig zu machen. Ich war dort!

Das für mich aber wichtigste ist: Ich hatte Tränen, die ohne Kontrolle in Strömen flossen. Sie sind da. Tränen!

Ich weiß nicht, ob ich es morgen wieder schaffe. Das entscheide ich morgen.

Prostatakrebs OP ist kein Spaziergang - Nachricht von Anke

Hallo Heike,

dein letzter Beitrag könnte von mir sein. Mein Mann hatte seine Prostata OP am 22. August. Höchste Dringlichkeitsstufe Score 10. Leider mussten wir Schlimmes erleben. Heftige Nachblutung, Nierenversagen und dann Intensivstation für drei Tage. Insgesamt war er zwei Wochen im Krankenhaus.

Wir haben ganz viel Glück gehabt , das er überlebt hat.

Bin im Moment noch in einer Traumatherapie. Ich bin auch ziemlich am Ende, keine Energie mehr, nur noch funktionieren. Alles fällt unglaublich schwer...

Ich wünsche euch beiden alles Gute, lese weiter von dir. Danke Anke