Wenn Selbstzweifel und Angst sich vereinen. Gedankenstürme. Sind es zu hohe Erwartungen? Bin ich zu sensibel? Trigger jagen mich.

Und jetzt Ruhe und positive Gedanken ...

Ein einfacher Satz und doch eine Ohrfeige für mich. Was soll er bedeuten? "Und jetzt Ruhe???? und positive Gedanken rundherum"??????"

 

Es gibt Sätze, die sind Trigger, für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Warum? Weil sie genau das, was so klug daher gesprochen wird, nicht einfach können.

 

Wo soll ich die Ruhe hernehmen, wenn Angst und Panik mich jagen? Wo soll ich die Ruhe hernehmen, wenn der liebste Mensch, der wertvollste Mensch, für mich gerade eine Operation hinter sich gebracht hat?

 

Was heißt das? Die Operation ist gut gelaufen, ja. Und weiter? Was ist wenn ... Noch sind wir doch nicht durch. Es kann immer noch schiefgehen. 

 

Woher soll ich positive Gedanken nehmen, wenn es auch so schon schwer ist positiv zu denken, weil nun mal Depressionen negative Gedanken fördern. Das ist es ja, unter anderem was Depressionen so gefährlich macht. Natürlich versuche ich mich an positiven Gedanken festzuhalten, aber es ist ein einziger Kraftakt und es gelingt nicht. Es gelingt nicht, auch wenn ich es so gern möchte.

Ratschlag oder RatSCHLAG

"... und jetzt Ruhe und positive Gedanken rundherum", "er braucht jetzt Ruhe und positive Gedanken für seine Genesung..."! Solche Sätze sind für mich RatSCHLÄGE! Insbesondere dann, wenn Menschen die mich kennen und mir nahe stehen, diese einfach nur dahin sagen. Es mag  nicht böse gemeint sein, aber mich triggern sie und dem entsprechend jagen mich diese Sätze. Sie sind Ohrfeigen. Bin ich zu doof, es selbst zu wissen, was mein Mann braucht und was nicht?

Genau so betroffen bin ich, wenn ich Informationen sofort weiterleite und entweder keine Antworten darauf erfolgen oder Antworten erfolgen wie: da bin ich sehr erleichtert ... ohne ein kleines Danke - dafür dass ich die Information gegeben habe und ohne eine Nachfrage oder ein paar mut-machende Wort für mich.

Gedankensturm & Selbstzweifel

Die derzeitige Situation in der Prostatadiagnostik mit der notwendigen Operation, ist eine absolute Ausnahmesituation, für meinen Mann, aber auch für mich. Meine Gedanken drehen sich nur noch um ihn. Er sorgt  für sich, er kann das. Ich möchte für mich sorgen und kann es gerade nur soweit, dass ich überlebe und das ist ein einziger Kraft-Kampf.  Wie sagte meine Ärztin, "andere brechen einfach nur zusammen, aber sie stehen noch!" Trotzdem denke ich auch so weit, notwendige Infos an Menschen weiterzugeben, weil sie sich sorgen und auch Angst haben. Ja, ganz sicher haben sie auch Angst. Doch sie können wesentlich besser damit umgehen. Sie sind in der Lage positiv zu denken und haben keine Lebens-Beeinträchtigungen dadurch, dass eine schwere Operation stattfindet.

 

Ich erlebe Menschen die wirklich mit mir fühlen, sich um uns beide sorgen, für uns beide Worte finden und mit uns beiden mitfühlen. Es sind viele Menschen, die ich nicht einmal persönlich kenne, nur von Facebook oder einem einzigen persönlichen Treffen und natürlich meine Freundinnen.

Gerade meine Freundinnen, reagieren sofort und versuchen sogar mich telefonisch zu erreichen, obwohl ihnen klar ist, dass ich in diesem Zustand wiedermal nicht telefonieren kann. Na-und! Dann senden sie eben liebe Worte oder senden 10 Bildchen hin und her, nur für ein Lächel-Smiley von mir.

 

Ich erlebe leider auch Menschen, die solche Dinge gar nicht tun. Es sind Menschen die ich sehr mag und vielleicht tut es deshalb so weh, dass all ihre Reaktionen sich nur auf meinen Mann beziehen oder gar keine Reaktionen kommen. Oder ganz und gar so kommen: ... alles Gute und gute Erholung ... und danach sind sie aus der Info-Gruppe raus.

Kommunikation - Was die einen können und andere nicht

Ist Kommunikation so schwer. Gerade schwer unter Menschen, die sich nah stehen? Oder stehen sie sich gar nicht nah. Ist alles nur Schein? Ich habe keine Ahnung? Oder bin ich zu sensibel und will zu viel? Bin ich es wieder, die zu hohe Erwartungen hat, wir mir wiederholt gesagt wird? Darf ich keine Erwartungen haben? Für mich sind es gar keine Erwartungen, sondern normale Kommunikation-Selbstverständlichkeiten meiner Kommunikation, unter Menschen die sich gern haben.

 

Wenn Menschen, die ich nicht persönlich kenne, dankbar sind für die Information und sich mit mir freuen. Sich freuen, dass ich diese Hölle überlebe, es sogar schaffe heute auf die Wachstation zu gehen und dies auch zum Ausdruck bringen.

Wenn Menschen immer! in zwei Sätzen, auf Informationen reagieren. Wenn sie in einem auf das Glück der Operation und Genesungswünschen und zum anderen mir Kraft, Mut, liebe Gedanken, "sind in Gedanken bei euch"oder "einen lieben Drücker aus der Ferne", senden. Wahnsinn.

 

 

 

Warum können es andere nicht?

Wer oder was bin ich?

Bin ich in den Augen der anderen, nur eine Notwendigkeit, weil ich mit dem Mann verheiratet bin? Notwendiges Übel?

Bin ich die alltägliche Selbstverständlichkeit, die Informationen weitergibt?

Wollten sie heute alle selbst in der Wachstation anrufen und Auskunft bekommen? Na, das wäre ein Gebimmel gewesen?

Ist es von mir! vermessen, dass ich auch ein paar Worte, die an mich gerichtet sind oder eine Nachfrage wie es mir geht, erwarte?

Was wäre denn passiert, was hätten sie gedacht, hätte ich heute keine Information gegeben, übrigens sofort!!! nach dem Chefarzt-Anruf?

 

In all meinen eigenen Angststümen, meiner Panik und meiner Not, habe ich sofort an sie gedacht und für sie gesorgt. Ich wollte sie beruhigen. Bin ich keine Antwort, kein einfaches kleines Zeichen (Herzchen, Smiley)  kein einfaches kleines DANKE, keinen Gedanken, wert?

 

Aber vielleicht bin ich ihnen, mit meiner Depression, suspekt? Vielleicht können sie damit nicht umgehen?

Vielleicht machen sie sich, einfach keine Gedanken. Keine Gedanken darüber, was diese Operation für mich bedeutet und wie sie mich beeinträchtigt. Ja, es geht um meinen Mann. Er hat Krebs und er wurde heute operiert. Aber es ist KEINE Selbstverständlichkeit, dass ich das bewältigen kann, wie jeder andere Mensch auch. Ich kann es nicht! Wenn sie sich dessen aber bewusst sind, wie ist dann ihr Verhalten zu erklären? Mit Leichtfertigkeit? Mit Nebensächlichkeit? Mit Ignoranz? Sind, Antworten oder DANKE, nicht mehr modern?

 

Ich möchte ... Ich bin dankbar ...

Ich möchte mich nicht minderwertig fühlen und fühle es doch.

Ich möchte nicht eine Nebensächlichkeit sein und fühle mich doch so.

Ich möchte keine Selbstverständlichkeit sind und bin es doch.

Ich möchte so gern Ruhe finden und finde sie nicht.

Ich möchte so gern positiv denken und kann es nicht. NEIN! Ich kann es nicht.

Ich möchte mich nicht hilflos fühlen und fühle mich doch so, bin es aber nicht.

Ich möchte nicht diese heftige Angst haben und doch bestimmt sie mich.

 

Heute stand ich am Krankenbett meines Mannes. Geschockt. Tiefstens betroffen. Horroranst und konnte nur heulend sagen: Ich kann das nicht. Ich kann das nicht. Ich verfluche mich selbst dafür, hart und unerbittlich.

 

Ich bin dankbar für diesen besonderen Mann an meiner Seite - Ich liebe dich.

Ich bin dankbar, dass die Operation sehr gut verlaufen ist.

Ich bin dankbar dafür, dass mein Sohn zugehört und verstanden hat. Ich liebe dich.

Ich bin dankbar, für meine Freundinnen - wir sind im Herzen vereint.

Ich bin dankbar, all meinen vielen Facebook-Freunden, den "Ein Boot auf dem Meer"-Menschen für Ihre wahnsinnige Anteilnahme, ihr Verständnis und Mitgefühl (nicht Mitleid).

Positiv denken. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es wird wieder gut.