Meine Freundin leidet unter Depressionen - Was kann ich tun, damit es ihr besser geht?-Brief einer Anghörigen!

Depression - Was Angehörige tun können.

Guten Morgen liebe Heike,

schon lange wollte ich dir mal schreiben - oder habe ich es schon getan? Ja ich bin manchmal ganz schön schusselig, daher vergesse ich so einiges. Egal, wenn ich mich wiederhole...

 

 

Ich bin eher ein stiller Leser auf Facebook. Aber ich lese sehr viel. Manchmal, wenn es mir gerade nicht gut geht, schmerzt es mich, einiges von Dir zu lesen, da ich auch ein kleines Päckchen habe, das ich mal verarzten müsste. Aber das ist wohl eine Art Päckchen, das jeder in irgendeiner Form mit sich rum trägt. Meist geht es mir gut.

 Es geht mir aber vor allem um meine beste Freundin:

Sie leidet seit rund zwei Jahren unter Depressionen. Für mich ist es teilweise sehr schwer nachzuempfinden, wie sie fühlt und denkt, auch führt es immer wieder zu Missverständnissen, zweimal sogar zu Verletztheiten auf beiden Seiten. Und da kommst nun du ins Spiel.

Mit deinen Worten und deinen Posts öffnest du mir öfters die Augen für eine Welt, die mir eher fremd ist. Ich habe sogar schon mit meiner Freundin über dich gesprochen und sie gefragt, ob es sich so auch bei ihr anfühle. Seitdem ich mich mehr damit beschäftige, geht's unserer Freundschaft auch besser. Ich verstehe nun besser, wenn sie sich mal tage- oder gar wochenlang vergräbt. Ja ich habe sie dann auch schon gefragt, ob es an mir liegt. Denn klar macht es mich auch mal unsicher. Aber ich komme immer besser damit klar und das tut unserer Freundschaft gut, die vor einiger Zeit auch schon zu zerbrechen drohte.

Ich danke dir für deine Offenheit und dass du auch fremde Menschen wie mich an deinem Leben teilhaben lässt!! Wenn ich darf, drück ich dich unbekannterweise einmal ganz doll.

 Liebe Grüße A.

 

Ich kann helfen, weil ich darüber rede

Ein „Brief“ der mich tief bewegt, der mir gut tut und mir zeigt, ich kann etwas tun, für Menschen. Ich leide an Depressionen, bin sehr oft teilnahmslos, müde, kaputt, antriebslos …. und doch schaffe ich es, mit meinen Worten, mir selbst zu helfen, mir selbst Gutes zu tun. Der offenen Umgang mit meinem Leben hilft Menschen. Menschen fühlen sich verstanden und nicht allein. Betroffene wie Angehörige können sich selbst helfen, weil sie ihren Blick weiten, sie meinen Einblick in das Leben mit Depressionen erhalten und damit Erkenntnisse für sich selbst sammeln können. ICH kann das!

 

Wie sollen Angehörige, verstehen was in uns Betroffenen vorgeht, wie wir ticken, warum wir gerade so ist? Wir Betroffenen verstehen es ja selbst nicht. Wir kennen ja uns selbst nicht mehr. Uns fehlt ganz oft auch, die nötige Kraft uns zu erklären. Wir wissen nicht wie wir es sagen oder beschreiben sollen. Wir sind so oft froh, den Tag, die Woche oder den Monat überstanden zu haben, noch zu leben. Wir sind so voller Zweifel, an uns selbst und auch den Menschen gegenüber, die uns nah sind. Wir wollen ihnen nicht von dieser schrecklichen Krankheit erzählen, wollen ihnen nicht weh tun, wollen für sie keine Belastung sein. Wir fühlen uns schuldig und minderwertig, weil wir nicht so wie „alle“ sein können, weil wir nicht Leistungsfähig sind. Wir können es nicht.

 

Wir können nicht mehr funktionieren

  • Die Krankheit hat uns die Maske vom Gesicht gerissen und unser Innerstes nach Außen gedreht.Wir können nicht mehr funktionieren. Wir aber bemühen uns, mit viel Kraft genau das, vor der Welt, zu verbergen. Wir können es nicht, aber wir versuchen es.
  • Wir können ganz oft auch nicht darüber sprechen, weil uns einfach die Worte fehlen. Aber wir sind froh über jeden Menschen, der offen und ehrlich zu uns steht, uns nimmt wie wir sind. Menschen die auf die sorgende Frage: wie geht es dir (die wir nicht mögen), keine positive Antwort erwarten.
  • Was wir erzählen ernst nehmen und nicht in Frage stellen, nicht in uns dringen und bohren. Ja, uns im Alltag behilflich sind, Verständnis und Mitgefühl zeigen.
  • Menschen die akzeptieren, dass wir gerade nicht können, wie wir wollen.
  • Menschen die wissen, dass sei uns wichtig sind, auch wenn wir uns ewig nicht melden. Auch für solche Dinge brauchen wir Kraft, die uns fehlt. Der Kontakt fällt uns schwer und ist anstrengend, selbst telefonieren ist eine riesige Hürde für uns.
  • Wir brauchen Menschen, die uns auch mal an der Hand nehmen und motivieren raus zu gehen, die einfach so mal vorbei kommen, auch wenn es oft viele vergebliche Versuche braucht.
  • Eine Frage wie: ich habe gelesen, dass (sie) es so erlebt, dass (sie) so denkt und fühlt, ist es bei dir auch so? - zeigt Verständnis, zeigt wirkliches Interesse und verkleinert meine Hürden, über mich zu sprechen. We
  • nn ihr uns besucht, wir auch aufmachen, fragt nicht. Nehmt uns einfach in den Arm, wir trinken eine Tasse Kaffee und alles andere kommt von allein oder eben nicht. Es ist trotzdem eine schöne gemeinsame Kaffeezeit. Wir sind dankbar dafür, dass ihr euch Zeit für uns nehmt.
  • Denkt besonders auch daran, kümmert euch auch um euch selbst. Es nutzt uns nichts, wenn auch ihr krank werdet.
  • Nehmt es nicht persönlich. Ihr seit nicht schuld. Ihr habt nichts falsch gemacht. Es kommen auch wieder andere Tage.

 

Es ist nicht leicht, an unserer Seite zu leben. Doch für uns ist es nicht leicht, überhaupt zu leben.

 

Diese Krankheit bringt mit sich, das wir unendlich viel Geduld und Kraft mit uns selber brauchen, wieder lernen müssen positiv zu denken, die schönen Dinge im Leben wahrzunehmen und zu fühlen und vor allem uns nicht beständig selbst zu verurteilen. Wir lernen uns in der Therapie selbst neu kennen und finden Wege, uns selbst wieder in das Leben zu führen.

 

Dabei sind Menschen die uns nahe stehen, sehr wichtig.

Wir lieben sie, auch wenn wir es nicht zeigen können, weil uns unsere Gefühle abhanden gekommen sind. Wir möchten mit ihnen zusammen sein, auch wenn uns die Kraft dafür manchmal fehlt. Und ja, wir brauchen auch unsere Zeit der Stille, des Rückzugs, um dann weiter zu kämpfen, Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr um Jahr. Freut euch mit uns, wenn wir gute Zeiten (Stunden, Tage oder auch Wochen) haben, in denen wir nicht jeden Tag darum kämpfen müssen, den Tag überhaupt zu beginnen.

 

Was mir hilft und wie mein Mann gelernt hat, mich ohne Druck zu motivieren:

  • Ich möchte spazieren gehen, kommst du mit?
  • Das Wetter ist so schön. Ich gehe noch eine Weile raus. Möchtest du mit?
  • Ich habe eine Einladung …... erhalten. Wollen wir gemeinsam hingehen?
  • Schreibst du mir einen Zettel zum einkaufen, wir können dann später entscheiden, ob du mit willst.
  • Du siehst heute: angestrengt, fertig, wie Blitz und Donner aus … , komm ich drück dich mal.
  • Magst du mir mir reden?
  • Magst du mit raus auf den Balkon kommen und ein bisschen vom Tag schwätzen?
  • Soll ich dich wecken oder möchtest du so lange schlafen, wie du willst?
  • Oh, in den Geschirrspüler passt nichts mehr rein. Ich erledige es nachher …
  • Wie hast du deine Ergotherapie überstanden?
  • Oh, du hast heute geputzt, gebügelt, das Bad gereinigt …. Wunderbar, daran hatte ich auch schon gedacht.
  • Oh, toll du hast es geschafft zum Friseur zu gehen, hattest du Freude daran?
  • Oh, du hast dem Postboten die Tür geöffnet und auch für die Nachbarn Pakete angenommen.
  • Ich möchte gern wissen, wie die Therapie war. Kannst du darüber sprechen?
  • Sage mir wann du darüber sprechen möchtest.
  • Ich mache Frühstück (Wochenende), sag mir wann wir essen, ob ich noch warten soll.
  • Danke fürs kochen, danke fürs putzen, schön dass wir gemeinsam unterwegs waren, toll du hast die vielen Treppen geschafft, ….
  • Ich liebe dich, du bist mein Sonnenschein, mein Blitz und Donner, ….

 

Angehörige können uns nicht helfen, im Kampf mit der Krankheit.

 

Unsere Freunde und Angehörige können für uns da sein. Sie können uns Liebe, Empathie und Unterstützung, uns Halt geben. Das hilft uns sehr. Wir brauchen es so nötig.

 

 

Den WegHilfe in Anspruch zu nehmen und zu lernen, zu verändern und zu kämpfen, muss jeder Betroffene selbst gehen. Er muss die Erkenntnis selbst finden und dafür bereit sein.

 

Diese Krankheit geht nicht von allein wieder. Sie löst sich nicht einfach auf. Es ist ein schwerer Weg und oft auch ein sehr langer Weg.

 

Ich nehme euch ganz lieb in den Arm und sage, von ganzem Herzen, danke. Danke, dass ihr an der Seite von Menschen mit Depressionen geht. DANKE!

 

Schön, dass es euch gibt. Passt auf euch auf!