Klare Worte – Deutliche Worte – Depressionen verschwinden nicht einfach so

Depressionen verschwinden nicht einfach so!

Ich bin gerade sehr betroffen, auf Grund einer Diskussion in einer meiner Selbsthilfegruppen, zum Thema Klinikaufenthalt. Es macht mir Angst, weil er einfach strikt abgelehnt wird, nicht in Frage kommt, weil der Hilfebedarf sehr offensichtlich ist. Es ist nicht mein Leben, nicht meine Entscheidung.

Ich schreibe meine Sichtweisen zum Thema auf, um so vielleicht dem einen oder anderen die Angst und Abwehr etwas zu nehmen. Ich denke manchmal brauchen wir deutliche und ehrliche Worte. Ich brauchte sie auch. 

 

 

Klare Ansage meiner Ärztin

Als ich von meiner Ärztin damals in die Klinik eingewiesen wurde, wollte ich auch nicht und hatte die üblichen Ausreden. Sie fragte mich knallhart (so empfand ich es damals): Wollen sie so weiterleben? Wollen sie, dass es noch schlimmer wird? Sie können so weiter machen oder ihr jetziges Dasein verändern! Wenn sie etwas verändern möchten, dann gehen sie in die Klinik! Bums, das saß und ich ging, zu meinem Glück, in die Klinik. Inzwischen sind 6 Jahre vergangen.

 

Seit 6 Jahren kämpfe ich nun mit der Depression und meinen traumatischen Erfahrungen. Ich habe mehrere Klinikaufenthalt bewältigt und bin seit 2012 in ambulanter Therapie, die einmal wöchentlich erfolgt. Ich selbst habe 2016, um die Einweisung in die Traumaklinik gebeten, weil ich mir bewusst war, dass es ohne eine Traumabehandlung keinen Weg der Verbesserung in meinem Lebens geben wird. Meine Klinikaufenthalte waren alle positiv. Sie haben immer eine Verbesserung, meines Lebens mit der Depression, erreicht. Sie haben mir immer gutes Handwerkszeug mit auf den Weg gegeben. Ich bin dankbar für jeden Klinikaufenthalt!

 

Das Leben mit der Depression ist Chaos in der Seele.

Ich kann notwendige Hilfe nicht annehmen – es passt gerade nicht

„Bei der Selbstauskunft über mich, wird mir sehr klar, wie sehr ich am Boden liege. Ich sehe, jeden Tag, was ich nicht kann. Ich habe Selbstmordgedanken“. Doch auch diese Erkenntnisse erreichen noch nicht, dass Betroffene die Hilfe einer Klinik in Anspruch nehmen. Stationärer Aufenthalt in einer Klinik ist eine hohe Hürde, die strikt abgelehnt wird, einfach nicht in Frage kommt oder zu viel Angst beinhaltet.

 

Viele Betroffene finden immer wieder Gründe und Ausreden, die einen Klinikaufenthalt unmöglich machen.

  • Klinik? Oh mein Gott, das geht nicht, weil:
  • ich habe so viele Baustellen, jetzt geht es nicht
  • ich kann meine Kinder nicht allein lassen
  • meine Kinder sind noch zu klein
  • ich kann keine 3 Monate von zu Hause weg sein
  • ich kann jetzt nicht so lange auf Arbeit fehlen
  • was würden denn die Leute reden, ich wohne in einem kleinen Ort
  • ich kann das nicht, dazu habe ich nicht die Kraft
  • ich nehme ja Hilfe an, ich gehe alle 4 Wochen für 1 Stunde zum Therapeuten
  • ich nehme ja Medikamente und gehe regelmäßig zum Psychiater
  • ich habe meine Suizid-Gedanken unter Kontrolle
  • ich habe Reha gemacht, da war ich auf mich allein gestellt, es hat nichts gebracht
  • Klinik? Ich habe zwei Freundinnen besucht, es war die Hölle, nichts für mich
  • Kliniken sind alle schlecht und bringen nichts

Ein Klinikaufenthalt ob ambulant oder stationär ist sinnvoll

Eine Tagesklinik ist wie arbeiten gehen. Am Morgen geht man hin, arbeitet in den Therapien an sich selbst und am Abend ist man wieder daheim.

Eine Klinik heißt, ich komme vollständig aus meinem Alltag heraus. Ich kann mich die gesamte Zeit auf mich selbst konzentrieren und an meinen Problemstellen arbeiten.

Beide Klinikformen sind dafür da, Betroffene aufzufangen, zur Ruhe kommen zu lassen und über unterschiedliche Therapieformen einen Weg zu finden, die Seele zu beruhigen. Sie geben mir Handlungsweisen und Schritte auf den Weg, wie ich mein Leben mit der Krankheit verbessern kann, im Idealfall sie zu heilen. Ja, auch das ist möglich und passiert jeden Tag!

 

Klare Worte – Deutliche Worte – Die Wahrheit

  • Depressionen gehen nicht von allein wieder weg.
  • Depressionen lassen sich nicht durch Medikamente heilen.
  • Depressionen lassen sich nur über Therapie und Medikamente (bei Bedarf) verbessern bzw. heilen.
  • Depressionen können immer wieder stationäre Klinikaufenthalte bedeuten.
  • Schwere Depressionen brauchen oft einen stationären Behandlungszeitraum, im Anschluss mit ambulanter, weiterführender Therapie.
  • Depression - Dein Körper reagiert auf deinen unzumutbaren Umgang mit dir selbst!
  • Die Depression ist ein starkes Zeichen deiner Psyche, dass es so nicht weiter geht!
  • Die Depression nimmt dir den Antrieb, die Kraft, deine Aktivität, deine Freude, deine Lebenslust.
  • Die Depression sagt dir: Verändere dich! Achte auf dich selbst! Arbeit an dir, mit dir und für dich!
  • Die Depression bzw. mein Leben mit der Depression wird sich nicht positiv verändern, wenn ich mich darauf verlasse, dass ich ja Medikamente nehme und alle 4 Wochen mal beim Therapeuten vorbei schaue und meinen Frust ablade. Es gibt nur eine Chance, wenn neben der medikamentösen Behandlung, eine regelmäßige Therapie angenommen wird.

Nur ICH selbst habe die Verantwortung für mein Leben und meine Entscheidungen.

 

  • ICH habe die Wahl, mit der Depression und meinen Suizid-Gedanken zu leben oder dafür zu kämpfen, daran zu arbeiten, dass ich mich selbst verändere. Schon diese Wahl, ist ein Schritt hin zur positiven Veränderung.
  • ICH habe die Wahl, mir weiterhin zu sagen, ich bin eine schlechte Mutter, weil ich nicht aktiv sein und ihnen alles geben kann oder ob ich z.B. mit ambulanter oder stationäre Hilfe lerne meine Denkweisen zu erkennen, zu verstehen und zu verändern, um besser zu leben.
  • ICH kann mich mit meiner negativen Lage abfinden oder kämpfen. Auch wenn das heißt, für Monate in einer Klinik zu sein.

 

Suizid ist oft eine unvorhersehbare Kurzschlusshandlung.

Wie lange also, habe ich meine Suizid-Gedanken im Griff? Wann sind diese stärker als ich? Ich bin auf einem gefährlichem Weg. Welchem Kind ist mit einer toten Mutter/einem totem Vater/totem Kind geholfen? Unsere Angehörigen, vor allem unsere Kinder lieben uns, so wie wir sind, auch wenn wir durch die Krankheit stark beeinträchtigt sind.

Ständige Suizid-Gedanken und tägliches negatives Gedankenkarrussel sollten unbedingt in eine stationäre Behandlung. Dort ist eine professionelle Begleitung möglich. Diese anzunehmen liegt ganz allein in der eigenen Verantwortung.

 

Wer aufgibt, wer sich nicht verändert, der hat verloren!

 

Ich bin seit 6 Jahren auf dem Weg mein Leben mit der Depression zu verändern. 6 Jahre Klinikaufenthalte und ambulante Therapien. 6 Jahre!

NEIN und ich bin noch immer nicht geheilt.

NEIN, ich bin nicht mehr dort, wo ich meinen Weg begonnen habe.

NEIN, ich beklage mich nicht, denn ich verändere mich immer noch.

 

JA, Klinikaufenthalte bedeuten:

  • Trennung von der Familie
  • kein Zuckerschlecken!
  • harte Arbeit an sich selbst!
  • tägliche Überwindung eigener Einschränkungen
  • Gedanken ans aufgeben, Suizid-Gedanken und Gedankenkreisel.
  • sich seinen eigenen „Baustellen“ zu stellen, sie anzunehmen und zu verarbeiten
  • in sich selbst hinein zu schauen, sich den eigenen Glaubenssätzen, sich den eigenen Denkweisen zu stellen
  • Handlungsweisen zu erlernen, die mich positiv verändern, die mich lernen lassen mit der Krankheit besser um zu gehen.
  • gemeinsam mit anderen zu lernen, zu verarbeiten, alltägliches zu meistern.
  • Es ist immer jemand da, der mich professionell auffängt, den ich um Hilfe bitten kann.

ICH KANN! ES IST MEINE ENTSCHEIDUNG!

ICH WEIß NICHT OB ICH DIE KRAFT HABE! ABER ICH PROBIERE ES AUS! ICH TUE MEIN MÖGLICHSTES!

 

Herzensangelegenheit

Ich kann sehr viel verstehen und auch akzeptieren. Jeder hat sein Leben und seinen Weg. Es liegt mir fern, jeden Betroffenen in eine Klinik zu verdonnern. Ich möchte einfach nur appellieren, an jeden Einzelnen, regelmäßige professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und auch vor einem Klinikaufenthalt nicht zurück zu schrecken.

 

Ich habe selbst erfahren, wie Klinikaufenthalte mein Leben positiv verändert haben. Ich würde es jeder Zeit wiederholen.

 

Ich habe zu meinem Glück, keine kleinen Kinder mehr, aber ich habe einen Mann den ich über alles liebe und gemeinsam haben wir Kinder und Enkelkinder. Sie waren ein Grund für mich, Klinikaufenthalte anzunehmen. Ich möchte unbedingt wieder, mit ihnen gemeinsam, Freude erleben und lachen können, nicht mehr irgendwo zurückgezogen daneben sitzen.

 

Vor allem dann, wenn mich meine Suizid-Gedanken regelmäßig zum aufgeben auffordern, würde ich die Reißleine ziehen. Zu Groß ist meine Angst, dass diese Gedanken, einmal zur Tat werden. Zum Glück befallen mich diese Gedanken nicht zu oft. Ich habe inzwischen gelernt sie, unter dem Einsatz von Skills, zu verdrängen. Ich habe gelernt positive Gedanken dagegen zu setzen. Ich habe aber auch eine Generalvollmacht für meinen Mann, der für mich die Reißleine ziehen soll (Klinikeinweisung), wenn mein Zustand unhaltbar ist, ich nicht selbst entscheiden kann und ich Suizid-Gedanken äußere.

 

Ich habe gelernt, selbst erlebt und erfahren, dass die Veränderung von Gedanken, von Glaubenssätzen und von Handlungsweisen, ganz langsam und Schritt für Schritt, positive Veränderungen bringen. Und ja, es geht nicht immer Berg auf. Es geht auch mal Berg ab und lange gerade aus. Und ja, ich habe immer wieder Momente, Tage wo ich aufgeben möchte, wo mir alles zu viel ist, wo ich hinschmeißen will. Aber genau dann, habe ich verloren!

 

Ja, ich will leben! Ja, ich will irgendwann, wieder ohne Depressionen leben. Dafür braucht es noch viel harte Arbeit mit Therapeuten und ja auch weiteren Klinikaufenthalten, mit bitteren Auseinandersetzung, Einsichten und Aussichten, Veränderungen und unendliche Geduld mit mir selbst.

 

Ich weiß eins ganz sicher, ohne die Klinikaufenthalte und die ambulante Therapie wäre ich nicht dort, wo ich jetzt bin.

 

Es ist in meiner Verantwortung für mich selbst!

Ich nehme jede Hilfe an, die ich bekommen kann.