Ich lebe mit der Diagnose mittel-gradige Depression und PTBS. Depression ist eine Krankheit. Es ist keine geistige Behinderung.

Mutmachleute - Projekt

"Der Starks-Sture Verlag in München, der seit 2005 Ratgeber und Erfahrungsberichte zu psychischen Störungen publiziert und damit Betroffenen und Angehörigen eine Stimme verleiht, sowie das Team von designmeetsmotion, einer Werbeagentur in Starnberg, wollen dazu ermutigen, Gesicht zu zeigen und sich eben nicht – wegen einer Krankheit – zu verstecken.

Denn: Psychisch krank zu sein heißt nicht, lebensunfähig, dauer-depressiv oder im ständigen Kampf mit den Symptomen zu sein. Das Mutmachprojekt will aufräumen mit den Vorurteilen. Das Augenmerk soll auf die positiven Aspekte und Perspektiven, die psychische Erkrankungen mit sich bringen können, gelenkt werden, statt auf schmerzliche Vergangenheiten. Wir geben psychisch kranken Menschen und ihren Angehörigen eine Stimme, die sich nicht verstecken muss...."

Textquelle: Mutmachleute.de

Werde ein Mutmacher - Ich bin dabei

Steckbrief:

Betroffener: Heike Pfennig

Persönliches Statement: Ich bin einzigartig. Ich vertraue mir selbst. Alles was ich brauche ist in mir.

Jahrgang: 1961

 

Diagnose: seit 2011 mittelgradige Depression, Posttraumatische Belastungsstörung, Angststörung, soziale Kontaktstörung, Dissoziation,

 

 

Therapie: Psychiatrie, Psych.Tagesklinik, 100h ambul. Verhaltenstherapie, stat. Aufenthalt in der Traumaklinik, , derzeit in ambulanter Traumatherapie, 

 

Ressourcen: Familie, Freunde, wandern,    fotografieren, 

 

Wie/wann hast du von deiner Störung erfahren?

 

Ich füllte mehrer Test-Fragebögen zur Depression ehrlich aus und viel knallhart durch. Meine Hausärztin bestätigte die Diagnose Depression. Alle weiteren Diagnosen erhielt ich über die behandelnden Psychiater. Erst 2016 kam die Diagnose PTBS dazu.

 

Warum hast du dich entschieden, nun Gesicht zu zeigen?

 

Ich zeige schon lange Gesicht. Ich habe die Nase voll, von all den Menschen, die wegschauen und nicht wissen wollen. Wenn wir Betroffenen nicht darüber reden oder schreiben, dann ändert sich niemals etwas. Wir können am besten erzählen, was diese Krankheit mit uns macht. 

 

Wie hat dein Umfeld reagiert, als es von deiner Krankheit erfahren hat, und welchen Umgang würdest du dir von deinem Umfeld in Bezug auf deine Störung wünschen?

 

Einige wenig waren entsetzt, dass ausgerechnet mir das passiert. Ich die Starke, fiel einfach um. Ansonsten war einfach so, dass ich nicht mehr da war und die Welt sich weiter drehte. Meine Herkunftsfamilie verschwieg lange meine Krankheit. Es war ihnen peinlich, denn für sie war und ist diese Krankheit eine Schwäche. Sie gehört zu labilen, lebensunfähigen Menschen. Du musst nur richtig wollen, dann geht das schon... Steigere dich da nicht so rein... Es war so schlimm, in meiner Herkunftsfamilie, depressiv zu sein, dass mein Bruder sich lieber erschossen hat, statt Hilfe anzunehmen. Mein Mann, unsere Kinder und Enkelkinder, sowie meine Freundinnen gehen damit offen um. Sie nehmen wie ich bin, geben mir Freiräume und fragen interessiert, wenn sie etwas nicht verstehen. Genau das, wünsche ich mir von anderen Menschen auch.

 

Welche Dinge haben Dir am meisten geholfen, die Krankheit zu akzeptieren?

 

Es bleibt einfach kein anderer Weg, als diese Krankheit zu akzeptieren. Je mehr ich diese ablehne und bekämpfe, um so mehr nistet sie sich ein. Ich brauchte viele Therapiestunden um es zu begreifen. Je mehr ich mich selbst begreife, um so mehr akzeptiere ich die Krankheit, die mir die Chance gibt mich neu zu definieren und mein Leben positiv zu verändern. Ich will leben!

 

Welche Ressourcen nutzt du in Krisensituationen?

 

Ohne meinen „besten Ehemann“ der Welt hätte ich so manche Krise nicht überstanden. Ich treffe, wohl überlegte, Entscheidungen für mich. Ich sage NEIN, wenn ich NEIN meine. Natürlich kommen unterschiedliche Skills zum Einsatz, die mich herunter regulieren und mich handlungsfähig bleiben lassen. Ganz klar – Grenzen wahrnehmen und einhalten! Achtsamkeitsübungen – aufschreiben, was ich geschafft habe, welche positiven Momente der Tag hatte. Schreiben ist mein Skill. Besonders am Herzen liegen mir aber die Betroffenen. Wenn ich ihnen nur etwas Mut machen kann, ihnen nur etwas Zuversicht geben kann und ihren Lebenswillen stärke, dann ist mein Ziel der Öffentlichkeit erreicht.

 

Was möchtest du anderen Betroffenen mit auf den Weg geben?

 

Die Depression ist Fluch und Chance. Es ist ein sehr langer Weg, der viel Geduld und viele sehr kleine Schritte benötigt. Sei nicht so hart mit dir selbst und stecke dir kleine, erreichbare, Ziele. Es ist nicht wichtig, wann du ankommst. Wichtig ist, dass du ankommst – bei dir selbst. Es wird besser, immer ein kleines Stück. Sei mutig, vertraue dir, du bist es wert.

 

Was möchtest du anderen Angehörigen mit auf den Weg geben? Wie können sie dir (einerseits) und sich selbst (andererseits) am besten helfen?

 

Angehörige müssen nicht verstehen, wie ich mich fühle oder wie ich gerade denken. Sie helfen, in dem sie akzeptieren wie ich bin, mich nehmen wie ich bin. Ich habe Depressionen, das ist eine Krankheit, aber keine geistige Behinderung. Sie können zuhören, mich in den Arm nehmen, mir Zeit schenken und mich motivieren. Angehörige sind nicht selbst depressiv und brauchen sie nicht zu verstecken oder in ihren Freizeitaktivitäten einschränken, aus Rücksichtnahme. Sie können lachen, Freunde treffen, ihren Hobbys nachgehen, Feiern … Selbstfürsorge steht an erster Stelle, bei mir und bei den Angehörigen.

 

Was macht deinen Charakter aus und welche Eigenschaft schätzt du an dir am meisten?

Ich bin emphatisch, ehrlich und authentisch. Aufgeben ist keine Option für mich.

 

 

 MUT MACHEN - Gegen Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen!